Verdrehte Welten

„Weißt du, Künstler reden über Geld. Und Banken reden über Kunst, so verrückt ist die Welt geworden“, erläuterte mir kürzlich ein Architekturfotograf ganz nüchtern. Hintergrund war mein Besuch auf zwei komplett unterschiedlichen Veranstaltungen: Der „Konferenz zur Schönheit und Lebensfähigkeit der Stadt“ und der „polis convention“ – beide in Düsseldorf. Und nicht nur das war die Gemeinsamkeit. Auf beiden wurden dieselben Fragen auf den Podien gestellt, dieselben Diskussionen über Stadt, Urbanität oder Gestaltung geführt. Was macht eine Stadt städtisch und urban? Wie wollen wir heute leben? Welche Rolle spielt die Mobilität? Welche Trends in Bezug auf Arbeiten, Leben und Wohnen lassen sich ausmachen? Eine dritte Gemeinsamkeit: Nach beiden Tagen war ich enttäuscht, wütend und fühlte mich irgendwie machtlos.

Beide Veranstaltungen waren gut besucht und auf beiden hätte sich ein Branchenfremder wahrscheinlich recht verloren gefühlt. Verloren, weil alle anderen sich untereinander kannten; verloren, weil ihm einerseits Kleihues, Mäckler, Kister, Sattler und andererseits CG, Gerch, WvM oder GAG nichts gesagt hätten. Vom Äußeren oder aber dem konträren Fuhrpark auf den Parkplätzen ganz zu schwiegen. Es sind zwei Welten, die überspitzt gesagt immer noch aneinander vorbeigestalten. Obwohl die Themen identisch sind und man sich so gut ergänzen könnte. Auf der „Konferenz zur Schönheit und Lebensfähigkeit der Stadt“ musste ich lange nach einem Projektentwickler suchen und auf der „polis“ konnte man die Architekten – ausgenommen den Fertigbauanbietern und denen, die sich eingekauft hatten – an einer Hand abzählen. Trotzdem denken alle, sie gestalten die Stadt, vor allem unsereins, der Architekt oder Stadtplaner. Dass am Ende aber der Investor den Zuschlag bekommt, der das meiste Geld in die Stadtkasse wirft und damit mitentscheidet, welche Art von Architektur gebaut wird, will zwar keiner hören, aber seien wir mal ehrlich. Architektur wird zur reinen Dienstleistung. Denn warum sonst waren auf den Plänen und Visualisierungen auf der „polis“ fast nur noch die Investoren und eben nicht die Architekturbüros gekennzeichnet. Und es kommt noch schlimmer: Architektur ist eine Billig-Dienstleistung geworden. Es ist keine Seltenheit, dass in Architektenangeboten Stundensätze von 65 Euro für den projektleitenden oder 55 Euro für den zeichnenden Architekten verankert werden. Und was zahlen Sie, wenn Sie sich einen Elektriker oder Maler ins Haus holen? Architektur verkommt zur Billig-Ware. Und hier spreche ich auch von eben den Architekten, die auf der „Konferenz zur Schönheit und Lebensfähigkeit der Stadt“ gerade noch über das Wohnen von morgen diskutiert haben. Stundensätze wie diese (von denen in Ostdeutschland ja nur geträumt werden kann) spiegeln sich dann am Ende auch wieder in den Gehältern der angestellten Architekten/innen wider.

Zurück zur „polis“ – hier kostete die Cola 3,80 Euro und die getragenen Anzüge ein Monatsgehalt. Die vorgestellten Projekte waren smart, beinhalteten co-working-areas und car-sharing-places. Ob wir diese in ein paar Jahren in der Bauwelt sehen werden? Oder doch eher im Immobilien Manager? Frage: Geht denn nicht beides? Können wir nicht gemeinsame Sache machen? Warum war kein

Projektentwickler oder Investor bei Herrn Mäckler? Und warum verirren sich so wenig Architekten auf die Immobilienmesse? Aber halt: Eine Überschneidung, eine Gemeinsamkeit gab es doch. Denn die einzigen Personen, welche ich an beiden Tagen gesehen habe, waren die Vertreter der Kommunen und Städte. Die Stadtplanungsdezernenten oder Baubürgermeister reden über beides und mit beiden: Über Kunst und über Geld. Sowie mit den Künstlern und den Geldgebern. Liegt die Lösung also so nahe?

Photo Marcus Schwier, DüsseldorfNatalie Bräuninger
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Natalie Bräuninger (1977) ist Architektin und seit 2013 Pressereferentin bei kister scheithauer gross (ksg) in Köln. Nach ihrem Architekturstudium in Stuttgart, Straßburg und Paris sowie einigen praktischen Jahren im Architekturbüro wechselte sie von der zeichnerischen auf die schreibende Schreibtischseite. So war sie bereits für die db deutsche bauzeitung, die Zeitschrift AIT oder das Internetportal koelnarchitektur journalistisch tätig. Für die Interessengesellschaft Angestellter Architekten ist Natalie Bräuninger Mitglied der Vertreterversammlung der AKNW.